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Wie persönliche Entscheidungen CO2-Emissionen beeinflussen

02.07.2020 | 7 Minuten Lesezeit
Charlotte Enzelsberger

Die Qual der Wahl

Sicher, der Zug wäre umweltfreundlicher. Aber das Auto einfach schneller und bequemer. Der Apfel im Winter saisonaler, aber die Erdbeeren verlockend süß. Und der Wochenendtrip an den lokalen Baggersee zwar nett, aber der Städtetrip nach Barcelona einfach so viel aufregender. Viele Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen, haben Auswirkungen auf unsere persönliche CO2-Bilanz – und in weiterer Folge auch auf die Umwelt. Wie umweltfreundlich wir leben wollen, haben wir selbst in der Hand. Und CO2 macht einen entscheidenden Anteil der Grünhausgas-Emissionen aus, die zur Erderwärmung beitragen und den Klimawandel beeinflussen.

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die CO2-Emissionen eines Landes pro Kopf steigen, je höher der Wohlstand, bemessen am BIP, ist.1 Dennoch ist es nicht die Wirtschaftsleistung allein, die für eine Aussage zum CO2-Ausstoß herangezogen werden kann – ist doch Katar mit einem Ausstoß von knapp 50 Tonnen CO2 pro Kopf jährlich der größte Emittent, vor Curaçao, Trinidad und Tobago, Kuweit und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der europäische Schnitt liegt bei 7 Tonnen pro Jahr. Vor allem die Bereiche Konsum, Heizung und Ernährung haben hier den größten Einfluss auf die persönliche CO2-Bilanz. Was also kann jeder Einzelne tun, um seinen Alltag klimafreundlich zu gestalten?

Am Beispiel des Durchschnittseuropäers Felix möchten wir zeigen, welche Rolle auch kleinste Entscheidungen spielen können. Ganz ohne erhobenen Zeigefinger oder den Anspruch auf wissenschaftliche Gesamtheitlichkeit. Aber als Denkanstoß und Anregung zum Hinterfragen des persönlichen Lebensstils.

Das ist Felix

Felix ist 35 Jahre alt, arbeitet als Angestellter in einem 40-Stunden-Job und genießt sein Single-Leben in der Stadt. Felix ist sportlich und würde sich bestimmt als geselligen Typ bezeichnen. In seiner Freizeit spielt er gerne Fußball, trifft sich aber auch häufig mit seinen Freunden, mit denen er in der Küche neue Rezepte ausprobiert. Felix ist umweltbewusstes Verhalten wichtig, er hat sich allerdings auch an einen gewissen Lifestyle gewöhnt, der für ihn einfach dazugehört.

Location: Küche

Einen ganz gewöhnlichen Arbeitstag beginnt Felix mit einem gemütlichen Frühstück und einer Tasse starken Kaffee. Ob aus der Kapsel, der Filtermaschine oder dem Vollautomaten ist für Felix geschmacks- und vor allem zeitabhängig. Wieviel CO2 sein Muntermacher verursacht – darüber hat er sich noch nie Gedanken gemacht.

CO2 Emissionen

Kaffee wird auch „das schwarze Gold“ genannt und ist als besonders wertvolles Lebensmittel zu betrachten. Anbau aber auch Verarbeitung der Bohnen benötigen viel Energie. Im Sinne der Umwelt sollte daher auf einen bewussten und achtsamen Genuss von Kaffee Wert gelegt werden. Rund neun Gramm Kaffee verbrauchen Vollautomaten und Filterkaffeemaschinen pro Tasse, eine Kaffeekapsel enthält etwa sechs Gramm. Die CO2-Belastung, die durch die Kapsel selbst entsteht, entspricht etwa der Belastung eines Gramms Kaffee.2

Location: On the road

Nach dem Frühstück macht sich Felix auf den Weg in die Arbeit, sein Arbeitgeber ist fünf Kilometer entfernt. Im Sommer oder wenn er besonders motiviert ist, legt Felix die Strecke mit dem Rad zurück. Bei Regen oder Kälte nimmt er sein Auto, ist dieses – wie oft einmal – in der Werkstatt, weicht er auf den Bus aus.

CO2 Emissionen

Bei durchschnittlichem Besetzungsgrad fallen pro gefahrenem PKW-Kilometer im Schnitt 209 Gramm CO2-Emissionen pro Person an, bei einem Linienbus sind es 49 Gramm pro Person.3 In der EU entfallen 72 % der CO2-Emissionen auf den Straßenverkehr (60,7 % Autos, 26,2 % Schwerlaster, 11,9 % leichte Nutzfahrzeuge sowie 1,2 % Motorräder), 13,6 Prozent auf die Schifffahrt, 13,4 Prozent auf die Zivilluftfahrt sowie 0,5 Prozent sowohl auf die Eisenbahn sowie andere Verkehrsträger.4 Würde Felix gänzlich auf sein Fahrrad setzen, könnte er zig Kilogramm an CO2-Emissionen einsparen: Ein Berufspendler, der werktags je 5 Kilometer mit dem Rad hin und zurück fährt, anstatt sein Auto zu benutzen, könnte etwa 300 Kilogramm CO2-Emissionen pro Jahr einsparen.5

Location: Supermarkt

Nach der Arbeit besorgt Felix für eine Dinnerparty am kommenden Wochenende im Supermarkt einige Getränke. Er möchte seinen Freunden ein breites Angebot an alkoholischen und alkoholfreien Möglichkeiten bieten und stößt dabei auf Getränke in unterschiedlichsten Verpackungen. Von Einweg- oder Mehrwegglas über PET-Flaschen bis hin zu Dosen und Getränkekartons hat er die Qual der Wahl. 

CO2 Emissionen

Wer nach umweltfreundlichen Getränkeverpackungen sucht, setzt am besten auf PET-Mehrwegflaschen. Diese werden im Schnitt 20 Mal wiederverwendet  und befüllt und verbrauchen bei Transport und  Logistik aufgrund ihres geringen Gewichts wenig Energie. Wird noch zusätzlich Recyclingmaterial zur Produktion verwendet, verbessert das die CO2-Bilanz weiter. Im Vergleich zu Einwegflaschen verursachen sie weniger Abfall und verbrauchen – trotz Reinigung und Befüllung – weniger Ressourcen. Mehrwegglasflaschen werden zwar noch häufiger wiederbefüllt (bis zu 40 Mal), werden aufgrund ihres höheren  Gewichts jedoch als ungünstiger eingestuft. Die Schlusslichter in puncto Getränkeverpackung?  Einerseits die Glas-Einwegflasche: Energieintensiv in der Produktion und trotz Recyclingmöglichkeit  verbraucht sie unverhältnismäßig viel Energie und  Rohstoffe. Andererseits die Aluminiumdose: Die  Herstellung ist sehr energieintensiv und der Abbau des Rohstoffes Bauxit findet teils unter fragwürdigen sozialen Bedingungen und Umweltstandards statt.6 

Location: Supermarkt

Neben Getränken möchte Felix auch noch Obst fürs morgige Frühstücksmüsli einkaufen. Besonders Äpfel haben es ihm angetan und so überlegt er, ob er sich für einen Apfel aus der Region oder den billigeren aus Übersee entscheiden soll. Je nach Jahreszeit hat diese Entscheidung unterschiedlichen Einfluss auf seine persönliche CO2-Bilanz. 

CO2 Emissionen

Durch eine bewusste Produktwahl lassen sich bei Obst und Gemüse viele Treibhausgasemissionen einsparen: Eine im April in Südspanien geerntete und danach importierte Tomate verbraucht etwa zehnmal weniger Emissionen als eine zur gleichen Zeit im Glashaus gezogene Tomate in Mitteleuropa.7 Beim Einkauf von Obst und Gemüse lohnt es sich deshalb, nicht nur auf die Regionalität, sondern auch auf die Saisonalität zu achten – fallen doch auch für die Lagerhaltung große Mengen an CO2 an.

Location: Supermarkt

Kurz vor der Kassa fällt Felix‘ Blick auf das Minus 50%-Regal. Er greift nach einem Stück Käse, Joghurt und Brot vom Vortag. Genau richtig für seinen abendlichen Snack. 

CO2 Emissionen

Lebensmittelverschwendung gilt zu Recht als großer Klimasünder. Die Europäische Kommission schätzt, dass in der EU pro Person und Jahr 173 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen werden. Das macht  insgesamt 88 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr. 53 Prozent aller weggeworfenen Lebensmittel gehen dabei auf das Konto der privaten Haushalte. In einem durchschnittlichen Haushalt wird ein Viertel der eingekauften Lebensmittel weggeworfen, vieles davon ungeöffnet (etwa wegen Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums). 30 Prozent landen bei Landwirtschaft und Produzenten im Müll, 12 Prozent in der Gastronomie und 5 Prozent im Handel. Lebensmittelverschwendung ist für rund 3,3 Gigatonnen CO2-Emissionen verantwortlich.8 Verpackungen können dabei helfen, die Haltbarkeitsdauer von Lebensmitteln zu verlängern. Der Treibhausgasnutzen aus der Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten ist dabei im Schnitt fünfmal so hoch wie die Emissionen aus der Produktion von Verpackungen für frische Lebensmittel, wenn dafür auch nur 10 Prozent weniger Nahrungsmittel verderben.9 

Location: Couch

Nach dem Abendessen blättert Felix zuhause auf der Couch durch Reiseprospekte und überlegt, wohin es ihn im Sommerurlaub führen wird. Städtetrip nach Barcelona, Urlaub am Kärntner Badesee oder doch die Kreuzfahrt in den hohen Norden? 

CO2 Emissionen

Nicht nur die Art und Dauer der Anreise spielen eine wesentliche Rolle für die Ökobilanz einer Urlaubsreise, auch die Aktivitäten vor Ort können Umweltbelastungen zur Folge haben. So schneidet etwa wenig überraschend Heliskiing in Kanada schlechter ab als die Tauchferien in Ägypten und diese wiederum schlechter als der Wanderurlaub in Österreich.10 Muss man sich für ein Transportmittel entscheiden, sollten Fernbus und Zug die erste Wahl sein: Diese schneiden in puncto Umweltbilanz deshalb so gut ab, weil sie in der Regel gut ausgelastet sind und einen geringen Energieverbrauch haben.11 Beim Buchen einer Kreuzfahrt sollte der CO2-Ausstoß von Kreuzfahrtschiffen mitbedacht werden: Im Schnitt stößt dieses pro Tag so viel CO2 aus wie fast 84.000 Autos, so viel Stickoxide wie etwa 421.000 Autos, so viel Feinstaub wie etwa über 1 Million Autos und so viel Schwefeldioxid wie gut 76 Millionen Autos.12

Location: Bett

Nach einem gemütlichen Fernsehabend macht sich Felix gähnend auf den Weg ins Bett. Den Fernseher schaltet er per Knopfdruck noch von der Couch aus einfach auf Standby.  

CO2 Emissionen

Die meisten Elektrogeräte verbrauchen im Stand-by-Zustand unnötigen Strom. Dieser Bereitschaftsmodus macht in einem typischen österreichischen Haushalt etwa 5 Prozent des Stromverbrauches aus. Der EU-weite Stromverbrauch durch Standby ist in etwa so hoch wie der gesamte Stromverbrauch der Schweiz. Allein in Österreich werden über Standby 811 Millionen Kilowattstunden pro Jahr verbraucht – das entspricht der Arbeitsleistung eines Donaukraftwerks oder Stromkosten von 150 Millionen Euro pro Jahr.13 

CO2 sparen ist einfach möglich

Felix hat im Laufe seines Tages eine Menge an CO2 angesammelt – auch wenn er zum Teil bewusst klimafreundliche Entscheidungen getroffen hat. Ohne sich allzu sehr einzuschränken, gäbe es aber auch für ihn noch jede Menge Potenzial, seinen CO2-Fußabdruck zu verbessern. Zukünftig will sich Felix deshalb stärker informieren – auch wenn er weiß, dass gerade bei der Bewertung des CO2-Austoßs unterschiedliche Berechnungen zum Einsatz kommen und die Ergebnisse von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig sind. Die Betrachtung seines Alltags hat aber gezeigt, wie stark tägliche Entscheidungen die persönliche CO2-Bilanz beeinflussen. Und dass Veränderung manchmal gar nicht so schwer ist. Für den Selbsttest:

www.mein-fussabdruck.at

Wussten Sie schon...?

 

… alle Verpackungsmaterialien aus Haushalt und Gewerbe zusammen rund 1,7 % des durchschnittlichen Klimafußabdrucks eines europäischen Konsumenten ausmachen? Auf Kunststoffverpackungen entfallen davon rund 0,6 %. 

… die ausgestoßenen Treibhausgase um den Faktor 2,7 bzw. um 61 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr ansteigen würden, würde man Kunststoffverpackungen durch andere Materialien wie Glas oder Karton ersetzen? 

… Kunststoffverpackungen Lebensmittel länger frisch halten? In Europa ver­derben aufgrund von Verpackungen lediglich 3 % der Lebensmittel zwischen Produktion und Transport, in Entwicklungsländern ohne entsprechende Ver­­packungen beträgt die Rate bis zu 40 %. 

Quellen:
1 https://nzz.ch
2 https://www.handelsblatt.com
3 https://www.umweltbundesamt.at
4 https://www.europarl.europa.eu/
5 https://www.umweltbundesamt.de
6 https://www.umweltberatung.at/
7 Studie Früchte und Gemüse Ökobilanz (ETH Zürich 2016)
8 https://www.muttererde.at/
9 denkstatt: Die Auswirkungen von Kunststoffverpackungen auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen in Europa (Juli, 2011)
10 http://esu-services.ch/
11 https://www.swr.de/
12 http://www.nabu.de
13 http://www.wwf.at/

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